Als lokaler Akteur organisiert COMUN e.V. (Coburg: Menschenrechte und Nachhaltigkeit) seit zwei Jahren in Coburg verschiedenste Angebote für die queere Community und interessierte Bürger:innen. Dabei legen wir den Fokus auf Communitybuilding und Antidiskrimierungsarbeit. Wichtige Elemente unserer Tätigkeit sind die Grundsätze des Empowerments und die Förderung der sozialen Teilhabe. Im Rahmen des ersten Christopher Street Day (kurz CSD) im Jahr 2022 wurde uns bewusst, wie groß der  Bedarf der Communitymitglieder:innen, Angehörigen und Allies1 ist. Dies begründet sich in fehlenden Vernetzungs- und Unterstützungsangeboten (z.B. spezialisierter Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen, Communityangebote mit Freizeitschwerpunkt). Dabei sind diese Räume wichtig für Menschen in Phasen der Orientierung und Identitätsentwicklung. Dementsprechend erfolgte mit dem Konzept zur Pride-Week-Coburg eine Erweiterung des Christopher-Street-Day auf eine Woche mit einem zusätzlichen Schwerpunkt auf Vernetzung und Bildung im Jahr 2023.

Die Planung, Organisation und Durchführung der Veranstaltungen erfolgte in Kooperation mit der Hochschulinitiative Umbrella, sowie verschiedensten Initiativen, Vereinen, Unternehmen, demokratischen Parteien und unabhängigen Akteur:innen aus der Zivilgesellschaft. Auf diese Weise sollte die städtische Gesellschaft in einem hohen Maß von Vielfalt im Entwicklungsprozess integriert werden. Alle Parteien des Stadtrates wurden angefragt. Am Ende erfolgte Unterstützung durch SPD, Grüne und ÖDP. Weitere Kooperationspartner:innen war der JUZ Domino e.V., die Hochschule Coburg, Geberhaus, Stallionbar und die Firma Laut. Insgesamt bestand die zentrale Organisationsgruppe aus fünfzehn aktiven Mitglieder: innen und fünf verschiedenen Arbeitsgruppen. Koordiniert wurden die Veranstaltungen durch drei Ansprechpartner in Person von Ulf Wunderlich, Michael Klein und Jonas Lejsek.

Die Eröffnung der Pride-Week-Coburg erfolgte am 25.06.2023 im Fugenlos der Hochschule Coburg. Gemeinsam mit dem Team und Unterstützer:innen wurde das dortige Queer Camp als zentrale Basis der Pride-Week durch unseren Vereinsvorstand Ulf Wunderlich, den Bürgermeister Can Aydin und den Bundestagsabgeordneten Johannes Wagner eröffnet. Künstlerisch untermalt wurde der Abend durch eine Showeinlage von Marcus Geuß. 

Zwischen dem 26.06.2023 und 30.06.2023 fanden im Queer Camp neben einem täglich stattfindenden queeren Café verschiedenste Vorträge, Workshops und Vernetzungstreffen statt. Im Rahmen dessen interessierte Bürger:innen und Angehörige der Community die Möglichkeit hatten sich zu informieren, zu diskutieren und zu vernetzen.  

Mit einem Vortrag der Aidshilfe Bamberg zur Geschichte und aktuellen Entwicklung von Aids am Montag wurde die Pride-Week für die breite Öffentlichkeit eröffnet. Im Rahmen dessen wurden Vorurteile und die dadurch bedingte Stigmatisierung von Betroffenen aktiv thematisiert und über präventive Möglichkeiten aufgeklärt. 

Am Mittwoch führte uns der queere Tiktoker Simo Zidane in das Thema Intersektionalität ein. Intersektionalität beschreibt das Zusammenwirken mehrerer Unterdrückungsmechanismen (Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, ökonomische Situation, Sexualität etc.). Gemeinsam mit 30 Gästen wurde in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek intensiv über Themen wie Gender, Rassismus und Weiße Privilegien diskutiert.  

Am folgenden Tag gestaltete die Hochschulinitiative Umbrella im Queer Camp einen Workshop zum Thema Geschlechterdiversität. Damit lag der Fokus bei den Bedürfnissen der trans- und nonbinären Angehörigen der Comminity. Im Rahmen dessen wurde intensiv über individuelle Erfahrungen, Coming-out und gesellschaftliche Erwartungshaltungen gesprochen. Im Anschluss folgte unter dem Slogan „QueerTalk“ im JUZ-Domino eine Diskussionsrunde zu den Bedürfnissen und politischen Forderungen der Community gegenüber der Coburger Stadtpolitik. Auch hier waren alle Generationen von Schüler:innen bis hin zu Rentner:innen vertreten. So wurde intensiv zu Selbsthilfegruppen, queeren Cafes, Aufklärungsangeboten an Schulen und Beratungsangebote für Betroffene, sowie deren Angehörige diskutiert.  

Durch Student:innen der Hochschule Coburg unter der Anleitung des Dozenten Dominik Österreicher wurde das Freitagsprogram durch einen Workshop zum Thema Lebensweisen eröffnet. Der Begriff Lebensweisen umfasst hierbei verschiedene Formen von Beziehungen von A-Sexualität bis hin zu Polygamie. Im Anschluss folgte in Einstimmung auf den eigentlichen Christopher-Street-Day ein queerer Karaoke Abend. Vierzig Menschen sangen und supporteten gemeinsam im Queer Camp bis tief in die Nacht.  

Der Höhepunkt der Pride-Week fand am Samstag, den 01.07.2023 mit dem Christopher Street Day statt. So versammelten sich auf dem Bahnhofsvorplatz am frühen Nachmittag 600 Menschen um gemeinsam als Parade des Stolzes auf die Vielfalt durch die Innenstadt in Richtung Markplatz zu ziehen. Begleitet durch zwei Umzugswägen, die Sambagruppe Aipale und einen DJ aus den Vereinigten Staaten bewegte sich die Parade über Mohrenstraße, Theaterplatz und Steinweg auf den Marktplatz. Dort folgte die feierliche Eröffnung des Christopher Street Days durch den COMUN-Vorstand und Ansprechpartner der Pride-Week Ulf Wunderlich, dem Bundestagsabgeordneten Johannes Wagner, die Hochschulinitiative Umbrella und dem Künstler Marcus Geuß. Während der Parade sorgten vierzig Ordner:innen und ausgebildetes Gesundheitspersonal für die Sicherheit, sowie das Wohlbefinden der Teilnehmer:innen.  

Über den restlichen Nachmittag und frühen Abend hinweg bot das sich anschließende queere Straßenfest den Coburger Bürger:innen und Gästen eine Vielzahl an Angeboten von Kinderschminken über Infostände von verschiedenen Parteien (SPD, Grüne, Humanisten), Institutionen (Demokratie leben, Verdi, Amt für Jugend und Familie und Tourismusschule) bis hin zu einer Tombola und verschiedenen kulinarischen Möglichkeiten. Begleitet wurde das Straßenfest durch Showeinlagen der Sambagruppe Tucurui, dem Gitarristen Avellion, dem Musikaldarsteller Andre-Sultan Sade, dem Künstler Marcus Geuß und dem DJ Alter Ego.  

Die Nacht wurde durch den ersten Coburger Pride-Ball unter dem Motto „A Midsummer Nights Ball“ in der alten Pakethalle eingeläutet. Bis in die frühen Morgenstunden feierten mehr als 150 Menschen gemeinsam und friedlich die Vielfalt in Coburg. Ausgeschmückt wurde der Abend durch verschiedene akrobatische Showeinlagen. 

Der Abschluss der Pride-Week-Coburg erfolge am Sonntag durch einen queeren Gottesdienst in der Salvatorkirche. Unter der Anleitung der Pfarrerin Susanne Thorwart setzten wir gemeinsam mit den Besucher:innen ein Zeichen für die Stärkung queerer Menschen in den deutschen Landeskirchen nach Jahrzehnten der Gewalt und Unterdrückung durch religiöse Würdenträger. 

Auch beim diesjährigen Christopher Street Day wurde der große Bedarf der Community innerhalb der Coburger Stadtgesellschaft deutlich. So beschrieb ein Teilnehmer der Pride-Week die Situation queerer Menschen in unserer Stadt als eine große Stille die in Coburg herrscht: „Man sieht sie nicht, man hört sie nicht, man spricht nicht darüber“. Diese Stille beschreibt den eigentlichen Bedarf. Es fehlt an grundlegender Aufklärung an Coburger Schulen zu Themen wie Sexualität und Gender, Selbsthilfegruppen für niedrigschwellige Unterstützung, Veranstaltungen zum Austausch und ein politisches Bewusstsein zu den Bedürfnisses von queeren Coburger Bürger:innen.  

Insbesondere Letzteres wurde in der Vorbereitung der Veranstaltung deutlich. So beschränkte sich die politische Unterstützung der Parteien oder Bürger:innenbündnisse des Stadtrates für die Pride-Week auf weniger als die Hälfte der Stadtratsmandate. Nur die ÖDP, SPD und Grüne erklärten öffentlich ihre Unterstützung. Während Pro Coburg wegen fehlender Mehrheiten innerhalb der Fraktion seine Unterstützung versagte, erhielten wir von CSU, den jungen Coburgern, der FDP, der Linken und CSB nicht einmal eine Antwort.  

Coburg befindet sich damit erst am Anfang des Prozesses eine offene Stadt für queere Menschen zu werden. Dementsprechend werden wir als COMUN e.V unser Engagement intensivieren diese Stadt weltoffener und bunter zu gestalten.